Eiskalte Liebe

 
 

Mai 2023

Der April hat uns wieder einmal alle Facetten des Wetters gezeigt, getreu dem Motto "April, April - der weiß nicht was er will!". Doch wie jedem bewusst ist: nicht nur das Wetter scheint völlig durcheinandergeraten. Einer der Gründe, weshalb diese friedliche Abendstimmung vom Walchensee als Ruhepol das aktuelle "Bild des Monats" wurde.
Denn in meinen Augen ist es vielleicht eine der wichtigsten Aufgaben der Kunst, den Betrachter vorübergehend aus seiner individuellen Realität zu entführen und eine Verschnaufpause vom allgemeinen Wahnsinn zu ermöglichen.

Doch nicht nur das, manchmal sollte sie auch zu einer neuen Betrachtungsweise anregen oder weitere Sichtweisen fördern. Insbesondere die Naturfotografie hat dabei meiner Meinung nach die wichtige Aufgabe zum aktiven Naturschutz anzuregen. Deshalb ist dieser Newsletter den Kröten und Fröschen gewidmet.

Ein Erdkröten Paar unter Wasser während der Laichablage an Wasserpflanzen.

Klassisch

Durcheinandergeraten wirkt dieses Jahr auch in der Tierwelt so einiges. Am deutlichsten erkennt man dies heuer unter anderem an den Krötenwanderungen hier im Gebirge. Normalerweise handelt es sich um knapp zwei bis maximal drei Wochen. In diesem Zeitraum sollte man zum Beispiel die Straßen rund um den  Walchensee abends nur im Schritttempo befahren und kommt sich dabei aufgrund der nötigen Ausweichmanöver fast wie bei dem Computerspiel Tetris vor. Denn ab Einbruch der Dunkelheit sind die
Straßen mit Kröten und Fröschen überzogen. Die wechselwarmen Tiere (sie produzieren keine eigene Körperwärme) nutzen anscheinend gerne auch mal die Restwärme des Straßenbelages für eine  Verschnaufpause auf dem anstrengenden Weg zum Laichgewässer. Das wir Autofahrer dabei einer der Hauptgründe für den Rückgang der Bestände darstellen, ist wohl leider nur den wenigsten bewusst.
In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig zu wissen, dass selbst bei 40-50 km/h der durch die Fahrt entstehende (Ansaug-) Druck so hoch ist, dass die Kröten die Überfahrt in der Regel nicht überleben. Also besser nur Schleichgang bis maximal 30 km/h, wenn man schon wirklich in der Dämmerung in Gewässernähe unterwegs sein muss...

Braunfrosch im Gelege

Sicherlich auch aufgrund der Wetterschwankungen stückelt sich heuer diese eigentlich kurze Zeitspanne in eine recht langgezogene Wanderungphase. Sogar jetzt Anfang Mai sind noch immer Kröten zum Gewässer unterwegs und in ein paar Tagen dann wohl erst auf dem Rückweg. Traurigerweise habe ich selten so wenig Kröten wie heuer dabei beobachten können. An dieser Stelle auch ein ganz großer Dank an alle fleißigen Helfer (überall), welche jede Nacht mit Stirnlampen, Handschuhen und Eimern bewaffnet in der Dunkelheit unterwegs sind um die Kröten sicher über die Straßen zu bringen und natürlich auch an alle AutofahrerInnen, welche Rücksicht nehmen!

Kaulquappen in den Resten ihrer Eihüllen, knapp unter der Wasseroberfläche.

Doppelbelichtung in Monochrom

Denn ob man Kröten und Frösche mag oder auch nicht - sie sind ein sehr wichtiger Bestandteil eines intakten Ökosystems und sorgen unter anderem für ein Gleichgewicht  zwischen einer Menge für uns Menschen zunächst eher unliebsameren Plagegeistern wie Schnecken, Spinnen und Insekten. Gerade wenn ich wieder einmal abends irgendwo in Gewässernähe fotografiere und es um mich herum leise und beharrlich summt, dabei die Haut vor Mückenstichen erblüht, wünsche ich mir gelegentlich meine Privatkröten…

Sehr gefreut hat mich übrigens, dass der letztes Jahr neu angelegte Teich am Naturparkhaus in Hinterriss auch bereits neue Bewohner bekommen hat!

Der 2022 neu angelegte Teich am Naturparkhaus Hinterriss, mit frischen Eiern von Froschlurchen.

Laich im Teich

Während einer kleinen Wanderung nahe dem Naturparkhaus konnte ich neulich den faulsten Krötenmann meiner bisherigen Beobachtungen in der Natur kennenlernen. In einem Schneefeld auf einer Höhe von ca. 1700 m pausierte ein Krötenpaar im Schnee.

Ein Paar Erdkröten im Schnee auf einer Höhe von über 1700 m im Karwendel, auf dem Weg zu den Laichgewässern im Tal.

Bergpause

Die männliche Kröte (die kleinere oben auf dem Rücken), ließ sich bereits von hier oben am Berg bis hinab zum Laichgewässer im Tal tragen. Zugegeben, ein relativ normales Verhalten. Insbesondere, da es laut Statistiken anscheinend deutlich mehr Männchen als Weibchen gibt und er sich somit schon mal seines gesichert hat.

Zwei Erdkröten, das Männchen Huckepack, im Schnee.

Eiskalte Liebe im Schnee

Aber vielleicht wollte er sie bei den Temperaturen auf dem Schnee auch nur wärmen und war eigentlich ein wahrer Gentleman? Wer weiß?

Apropos Temperaturen, ich war wieder sehr beeindruckt, als ich die weiter oben gezeigten Unterwasseraufnahmen anfertigte. Es dauerte nur wenige Minuten bis meine Finger im kalten, klaren Gebirgsbach weiß und die Knöchel aufgrund der Wassertemperatur lila wurden.
Eindeutig eine sehr kalte Form der Liebe, sofern man in der Natur überhaupt von Liebe sprechen kann...

Zwei Erdkröten kämpfen mit den Wellen am Ufer des Walchensee.

Kampf mit den Wellen

Es gäbe noch viel mehr zu diesen interessanten Tieren zu erzählen und ich hoffe, ich konnte Dir einen kleinen Anreiz geben, Dich näher mit ihnen zu beschäftigen. Oder zumindest "das Laub auf der Straße im Frühling" rechtzeitig zu identifizieren - auch wenn kein Schild extra darauf hinweist.

Eine Erdkröte wartet gut getarnt im Schlamm am Gewässergrund, auf eine Partnerin.

Märzenbecher im Abendrot

Wenn Du selber nächstes Jahr im Frühling bei der Straßenbergung mithelfen möchtest - Dein zuständiges Landratsamt/Naturschutzbehörde kennt garantiert die richtigen Ansprechpartner!

Zwei Kröten beim Laichen zwischen Wasserpflanzen, im klaren und kalten Wasser des Karwendel.
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Ein Abend am Lautersee

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Märzenbecher