Die Farben der Nacht - Dezember 2024

Nachtaufnahme am winterlichen Ferchensee bei Mittenwald, in den bayrischen Voralpen.
 

Dezember 2024

Liebe LeserIn,

die Tage sind kurz und die Nächte lang. Was passiert also, wenn man lange nach Sonnenuntergang noch mit der Kamera unterwegs ist und die Muse küsst? Es entstehen Bilder, bei denen bei den meisten BetrachterInnen wohl zuerst Photoshop oder KI als Urheber vermutet werden.

Doch dem ist nicht so.

Für das menschliche Auge ist gerade pechschwarze Nacht und ich stapfe durch den frischen Schnee. Der Sonnenuntergang mit Alpenglühen war kurz, aber herrlich und ich möchte eigentlich noch gar nicht nach Hause. Dort wartet schließlich nur viel Arbeit auf mich. Also beschließe ich, mich davor zu drücken und trotz der vorherrschenden Kälte noch ein wenig an diesem schönen kleinen See bei Mittenwald zu bleiben.

 
Alpenglühen am Karwendel, mit Spiegelung im Ferchensee bei Mittenwald im Winter bei Neuschnee.

Alpenglühen am Karwendel

Lange ist es her, seitdem ich mich das letzte Mal dem Thema nächtlicher Langzeitbelichtungen gewidmet habe. Doch es braucht eigentlich nicht viel dafür. Alles Nötige habe ich dabei. Wichtig ist warme Kleidung, ein stabiles Stativ, Fernauslöser, mehrere Akkus, ein wenig Intuition und natürlich die Kamera.

Bekannt sind verhältnismäßig lange Belichtungszeiten von der Wasserfotografie. Wie hier zum Beispiel am Rissbach im Karwendel. Dabei geht es oft darum, Ruhe ins Bild zu bringen und alles was sich bewegt, wirkt auf den Bildern leicht verwischt und unscharf.

 
Stromschnelle am Rissbach im Karwendel.

Stromschnelle am winterlichen Rissbach

Doch das ist tagsüber, in der Nacht muss man teilweise mehrere Minuten lang belichten, um überhaupt irgendetwas auf dem Kamerasensor sichtbar zu machen.

Bei der Filterfotografie tagsüber, werden für so lange Belichtungszeiten gerne verschiedene Foto-Apps zur Ermittlung der nötigen Zeiten verwendet. Doch ich bin kein Freund davon und Nachts bringt das auch wenig. Außerdem finde ich, das Besondere an Bildern, wie dem ganz oben gezeigten, ist irgendwie auch der Glücksfaktor bzw. dass man als Fotograf ein Gefühl für das vorhandene Licht hat.

Wie zum Beispiel bei dieser bereits etwas älteren Aufnahme von der Saile, oder auch Nockspitze genannt, bei Innsbruck.

 
Sichelmond über der Nockspitze, Langzeitbelichtung mit Wolkenzug.

Schemen der Nockspitze und Sichelmond (168 Sekunden, 2015)

Bei diesem Bild habe ich insgesamt 168 Sekunden manuell im BULB-Modus den Kamerasensor belichtet. Dank starkem Wind zogen die Wolken mit hoher Geschwindigkeit über den Himmel und verwischten aufgrund der Langzeitbelichtung.

Das Bauchgefühl lenkte dieses Motiv. Ich war gerade auf dem Weg von der Innsbrucker Nordkette in Richtung Tal und hatte an einem Aussichtspunkt einen Zwischenstopp eingelegt. Spontan wurde das Stativ im Dunklen aufgebaut, der Fernauslöser montiert und der Ausschnitt des Bildes gewählt. Warum ein Fernauslöser? Jede kleine Berührung des Statives, oder der Kamera, sorgt für ein unscharfes und verwackeltes Bild! Anschließend kam die größte Kunst. In diesem Falle, den Berggipfel manuell scharf zu stellen. Das klingt simpel, ist aber im Dunklen kein leichtes Unterfangen. Natürlich kann man den Autofokus der Kamera dabei auch nicht verwenden.

Als all dies erledigt war, belichtete ich mittels Fernauslöser einfach nach Lust und Laune ein Bild. Das erste zeigte mir - ich hatte gut eingestellt und eine weitere Aufnahme wurde gestartet. Als nach gefühlten Stunden des Wartens, der Sichelmond hinter einer Wolke hervorkam und wenige Millisekunden den Sensor beleuchtete, beendete ich die Aufnahme. Offensichtlich genau im richtigen Moment. Dadurch wurde auch der, ansonsten ja ebenfalls wandernde/verwischende Mond, scharf abgebildet. Das menschliche Auge konnte zu diesem Zeitpunkt nur noch dunklen Himmel sehen und auch das Handling des Equipments, war nur mehr Intuition. Doch durch die lange Belichtungszeit und einen kameraintern gut eingestellten Weißabgleich, wurden die restlichen Farben trotz Dunkelheit, so wie gezeigt dargestellt.

Es wirkt absolut künstlich gemalt, ja. Doch es sind natürliche Farben mit Wolkenzug und keine nachträgliche Trickserei am PC.

 
Nächtliche Langzeitbelichtung am sogenannten Kaffeefeld, oberhalb von Mittenwald in den bayrischen Alpen. Im Vordergrund zwei Heuschober, im Hintergrund das Karwendel und ziehende Wolken.

Nachts am Kaffeefeld (552 Sekunden, 2017)

Ebensolch ein Beispiel ist das oben gezeigte Bild von den Heuschobern bei Mittenwald, mit dem Karwendel im Hintergrund. Sogar 552 Sekunden wurde es belichtet und zeigt daher den Wolken- und Nebelzug noch deutlicher. Wer ganz genau schaut, entdeckt auf der rechten Seite einen hellen Strich über dem Karwendel - es handelt sich um einen ziehenden Stern! Die krasse pinke Farbe entstand durch den recht warm eingestellten Weißabgleich an der Kamera. Hättest Du gedacht, dieses Bild ist massiv nachbearbeitet?

Doch nach so viel Farbe, möchte ich noch ein ähnliches, jedoch weniger quietschbuntes Beispiel zeigen. “Lediglich” eine halbe Minute wurde dieses Bild am Barmsee belichtet und zeigt so den verschwimmenden Nebel über dem See und die kleine angeleuchtete Kapelle Maria Rast. Im Hintergrund die Soierngruppe des Karwendelvorgebirges.

 
Nebel am Barmsee, im Hintergrund die Soierngruppe und die kleine angestrahlte Kapelle Maria Rast bei Krün.

Nebel am Barmsee (34 Sekunden, 2020)

Ist Dir eigentlich aufgefallen, dass ich Jahreszahlen mit unter die Bilder geschrieben habe?

Tatsächlich handelt es sich bei fast allen der hier gezeigten Bilder um ältere Aufnahmen. Warum ist das so?

 

Walchensee und Simetsberg (321 Sekunden,2016)

Ganz einfach, man beobachtet und lernt dazu. Insbesondere im Winterhalbjahr ist diese Art der Fotografie meines Erachtens nach, in den meisten Fällen, leider nicht Naturschutzgerecht!

 
Eine Gämse quert vorsichtig einen frischen Lawinenkegel im Karwendel.

Gams quert Lawinenkegel

Natürlich hängt es stark davon ab, wo und wie man als FotografIn unterwegs ist. Zum Beispiel, ob auf einem vielbegangenen Weg direkt an einer Ortschaft, oder mitten im alpinen Gelände. Doch gerade im Winterhalbjahr brauchen die Tiere insbesondere in der Dämmerung und Nacht, schlicht und ergreifend ihre Ruhe. Auch wenn man meint, es “Sei ja nichts passiert” - die Schäden durch nächtliche (alpine) Aktivitäten bleiben den Verursachern meist unentdeckt.

Sicherlich ist es auch sehr entscheidend, wie man sich verhält. Ich kenne mein Equipment in- und auswendig und kann nachts in der Regel sehr gut auch ohne Stirnlampe und vor allem leise hantieren. Doch trotzdem haben wir Menschen einfach einen negativen Einfluss. Gerade im fotografischen Bereich wäge ich inzwischen eigentlich jede Aufnahme und Fotosituation ab. Denn kein Bild ist es wert, dass anderen Lebewesen dafür geschadet wird und ich hoffe sehr, dass in dieser Wintersaison auch einige Bergbegeisterte darüber nachdenken und ihre Tourenplanung entsprechend gestalten.

Während den “frischen” Nachtaufnahmen am Ferchensee, sah ich nicht weit von mir eine Bewegung im Dunklen. Ein Fuchs schlich um mich herum und rief mir diese Thematik wieder einmal ins Bewusstsein. Deshalb habe ich diesen Blogbeitrag verfasst und hoffe, er regt zum Nachdenken an. Viel Freude an den weiteren Bildern, zum Teil aus meinem Archiv und eine schöne Adventszeit,

Dein Sebastian

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