Isar-Katastrophe - Juni 2020
Der nächste Newsletter wird wieder schöne Bilder enthalten. Versprochen!
In meinen Augen ist es jedoch auch wichtig, nicht nur die Schönheit unserer Natur fotografisch festzuhalten, sondern manchmal auch deutliche Missstände zu dokumentieren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. So verstörend die entstandenen Bilder vielleicht für den einen oder anderen sein mögen, ich hoffe sehr, sie regen zu einer Veränderung an!
Wasserkraftwerk in Krün
Was ist passiert?
Es war kurzfristig angekündigt worden, dass das Wehr des Kraftwerkes zum Durchspülen geöffnet werden muss. Dies passiert laut Uniper im Jahr ca. 2-4 Mal. Denn aufgrund der vielen Regenfälle und damit einhergehendem Hochwasser, war zuviel Kies im Bachbett vor der Staumauer.
Laut dem Gewässerwart des Garmischer Angelvereins Hans Schanderl, passierte dies nun bereits mindestens das 41. Mal seit 1995.
Durchspülen bedeutet: erst wird die Schleuse geöffnet und eine große Menge Wasser und Kies (teils als Flutwelle), rauscht die Isar hinab. Die Flutwelle zerstört natürlich bereits einiges, u.a. die Gelege diverser bodenbrütender Vogelarten.
Im Anschluß werden die Schleusen wieder geschlossen und nur eine Restwassermenge von 3,0m³ im Winter und 4,8m³ im Sommer durchfließt weiterhin das Bachbett. Allerdings reicht diese Menge nicht, denn ein Großteil versickert auf den ersten Kilomentern nach dem Wehr.
Restwasser im Bachbett der Isar
Hunderte kleine Tümpel, Nebenströme und ausgespülte Wasserrinnen fallen dann innerhalb von wenigen Minuten trocken. Bleiben es manchmal nur für Minuten, teilweise aber auch für Monate. Eine tödliche Falle für jegliches Wasserleben.
Alles Leben ausgelöscht
Als einer der Helfer, war ich gemeinsam mit Mitgliedern der Fischereivereine Mittenwald & Garmisch-Partenkirchen vor Ort, um die nach dem Spülen gestrandeten Fische einzusammeln und in den Restwasser - "Hauptstrom" umzusetzen. Die große Kamera blieb zu Hause, denn ich wollte ja "anpacken".
Ersthelfer beim Einsammeln der letzten Fische
Wenige Minuten vorher war hier in dieser Rinne ein Wasserstand von über 80 cm!
Eine geschützte, doch verendete Mühlkoppe und Köcherfliegenlarven
Das Wetter war uns Helfern nicht wohlgesonnen.
Lagebesprechung der freiwilligen Helfer
Wir, also ein kleiner Teil der Helfer, sind in Fließrichtung zur sogennanten "Prallwand" (Anfang der Mautstraße) mit Elektrogerät, Keschern und Wathose unterwegs. Anfangs wohlgemut, setzten wir viele kleine und große Fische um... bis uns plötzlich auffiel, dass es nichts mehr gab, wo wir Fische reinsetzen konnten!!!
Kein Bach, nichts... wo sollten wir Fische hinsetzen?
Diverse Kleinfische und Krebstiere, qualvoll verendet.
Toter Mikrokosmos
Überall zappelte es. Erstickende Lebewesen, Fische & Insekten aller Arten und Größen lagen auf dem Trockenen. Wir rannten von einem austrockenenden Wassserloch zum nächsten, um zu retten was ging. Allerdings gab es nur noch einen winzigen Bachlauf, der von der Mautstraße/ Prallwand als kleiner Wasserfall herunter kam und der war teilweise soweit entfernt, dass viele Tiere es einfach nicht mehr schafften!
Selfie mit toter Forelle im ausgetrockneten Bachbett
Irgendwann war es zu spät. Wir fanden nur noch Leichen mit aufgerissenen Mündern und gaben auf. Völlig durchweicht vom Gewitterregen und mental erschüttert, gingen wir zurück und nach einem wärmenden Kaffee holte ich deprimiert meine Kameraausrüstung und schaute mir das Ganze nochmal in Ruhe an. Dabei entstanden einige Aufnahmen, welche noch am selben Abend an die Presse gingen und am Wochenende veröffentlicht wurden.
Eine erstickte Forelle in Restwassserpfütze
Inzwischen habe ich erfahren, dass bei jedem Durchspülen die Isar (unser angeblich letzter Wildfluss in Deutschland) auf 1 - 5 km in diesem Bereich trocken fällt! Also mehrfach im Jahr findet dieses Grauen statt.
Obwohl es Gesetze und Richtlinien (Natura 2000) für den Arten- und Naturschutz und sogar bereits Studien zu einem Kiesfang gibt, welcher die Situation deutlich verbessern würde, fühlt sich anscheinend weder der Kraftwerksbetreiber, noch das Land zuständig, die nötigen Kosten zu übernehmen.
Traurig, sehr traurig!
In den unterspülten Uferrinnen stappeln sich teils geschützte Fischarten.